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Ein halbes Jahr mit dem Vello+ Automatic: Zwischen Begeisterung und Service-Frust

4 Min. Lesezeit
Das Vello+ Automatic Elektro Klapprad

Mein erstes Klapprad – und dann gleich das Vello+ Automatic. Die Wiener Fahrradschmiede hat sich in den letzten Jahren einen Namen gemacht, und nach einem halben Jahr Dauereinsatz verstehe ich auch warum. Zumindest teilweise.

Klappräder sieht man mittlerweile überall. Kein Wunder: Sie lösen das Transportproblem elegant. Im Zug gelten sie als Handgepäck, im Auto verschwinden sie im Kofferraum oder auf der Rückbank. Die Zeiten, in denen Klappräder nur was für Camping-Touristen waren, sind lange vorbei. Brompton aus London gilt als Klassiker, Tern und Dahon dominieren den Massenmarkt. Und dann gibt es noch die Premium-Hersteller wie eben Vello aus Wien, die das Klapprad salonfähig machen wollen.

The folded Vello+ Automatic

Technik und Fahrverhalten überzeugen

Bei Vello merkt man den Anspruch sofort. Der Klappmechanismus funktioniert einwandfrei – keine fummeligen Verschlüsse, kein Geklapper während der Fahrt. Das Rad lässt sich in wenigen Sekunden zusammenfalten und steht dann stabil auf seinen Rädern. Mit knapp 14 Kilo ist es für ein E-Klapprad erstaunlich leicht. Der Zehus-Motor sitzt kompakt in der Hinterradnabe – alles ist sauber integriert, nichts steht ab. Im Zug passt es problemlos in jede Ecke, ohne Aufpreis. Auch in meinem Kleinwagen findet es auf der Rückbank Platz. Genau das war der Hauptgrund für die Anschaffung: Flexibilität.

Das Fahrgefühl hat mich positiv überrascht. Ich hatte keine Vergleichswerte zu anderen Klapprädern, aber die ersten Meter fühlten sich fast wie auf einem normalen Stadtrad an. Kein wackeliges Gestänge, keine schwammige Lenkung. Auch holprige Straßen und Kopfsteinpflaster steckt das Vello+ Automatic problemlos weg – die kleinen Räder sind robuster als gedacht. Der Motor unterstützt sanft, aber spürbar – besonders beim Anfahren an der Ampel oder bei den typischen Wiener Anstiegen. Im Turbo-Modus, den ich durchgängig nutze, schaffe ich 30 bis 40 Kilometer. Für meine täglichen Wege reicht das locker.

Durchdachte Details, schwache Software

Besonders durchdacht: Vello setzt auf Standard-Komponenten statt proprietärer Spielereien. Theoretisch kann jede Werkstatt das Rad warten. Praktisch sieht das anders aus, aber dazu gleich mehr.

Die App ist eine Enttäuschung. Sie verbindet sich nur sporadisch mit dem Rad, die Funktionen sind umständlich zu erreichen. Ich habe sie trotzdem installiert – hauptsächlich um den Akkustand zu checken. Mehr brauche ich nicht, da ich ohnehin immer im Turbo-Modus fahre und regelmäßig lade. Für eine Premium-Marke ist die Software aber eindeutig zu schlecht.

Service-Desaster und Preisfrage

Kommen wir zum Schmerzpunkt: dem Service. Die Schaltung meines Rades war von Anfang an defekt – daher auch der günstige Preis auf Willhaben. Die erste Reaktion des Supports? Ich würde sie mit dem Fuß berühren, selbst schuld. Nach hartnäckigem Nachfragen dann die Einsicht: Ja, die Schaltung ist kaputt, macht 500 Euro. Ich habe gezahlt, das Rad wurde repariert – falsch, wie sich herausstellte. Die Schaltung war nach zwei Tagen wieder hinüber. Erst beim zweiten Anlauf, diesmal kostenlos, hat es geklappt. Für eine Wiener Premium-Marke ist das unterirdisch.

Der Preis ist eine eigene Geschichte. 3.700 Euro kostet das Vello+ Automatic neu – völlig überzogen, wenn man mich fragt. Ich habe meines über Willhaben für 1.000 Euro geschossen, ein Schnäppchen. Fair wären meiner Meinung nach 2.000 bis 2.500 Euro. Dafür bekommt man ein durchdachtes Stadtrad mit cleveren Details.

Ein Produktvideo.

Fazit: Perfekt für die Stadt, aber...

Für längere Touren taugt das Vello+ Automatic nicht wirklich. Man zuckert mit circa 20 km/h dahin – für die Stadt perfekt, aber bei längeren Ausfahrten werde ich ungeduldig. Da greife ich lieber zum Rennrad. Aber für die Stadt? Optimal. Die Kombination aus Kompaktheit, E-Unterstützung und solidem Fahrverhalten macht es zum idealen Pendlerrad. Wenn nur der Service besser wäre.

Nach einem halben Jahr ziehe ich ein gemischtes Fazit. Das Vello+ Automatic ist ein richtig gutes Klapprad – keine Frage. Der Motor arbeitet zuverlässig, der Klappmechanismus hält, was er verspricht, und in der Stadt macht das Fahren Spaß. Aber der miserable Service und der Mondpreis trüben das Bild. Wer ein gebrauchtes Exemplar findet, sollte zuschlagen. Zum Neupreis würde ich abraten. Da bekommt man für weniger Geld ein solides E-Bike ohne Klappfunktion – und vermutlich besseren Service dazu.

Weiterführende Links

Vello Bike – Die offizielle Website des Wiener Herstellers

Vello+ Automatic – Produktseite mit allen technischen Details

Zehus – Der italienische Hersteller des All-in-One Motors

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